Meridian Zero

Leseprobe Teneriffa



Teneriffa

Die Berghütte ist einfach, aber zweckmäßig ausgestattet. Sein Essen muss man sich selbst mitbringen, seinen Müll wieder mit hinunternehmen. Duschen gibt es keine, aber ein WC und ein warmes Bett im Schlafsaal. Um halb elf wird der Stromgenerator abgeschaltet, und im Refugio Altavista geht das Licht aus.

Ganz so komfortabel hatte es Alexander von Humboldt im Juni 1799 nicht, als der damals noch nicht ganz so berühmte Naturforscher nach Teneriffa kam, um mit seinem Begleiter Aimé Bonpland zusammen den Pico del Teide zu besteigen: "Obgleich es Sommer war und der schöne afrikanische Himmel über uns, hatten wir doch in der Nacht von der Kälte zu leiden. Unsere Führer machten ein großes Feuer von dürren Zweigen des Retama an. Ohne Zelt und Mäntel lagerten wir uns auf Haufen verbrannten Gesteins, und die Flammen und der Rauch, die der Wind beständig gegen uns hertrieb, wurden uns sehr lästig. Wir hatten noch nie eine Nacht in so bedeutender Höhe zugebracht". Besonders gut habe auch ich nicht geschlafen. Ohrstöpsel sollte man unbedingt im Gepäck haben, denn so mancher Zimmergenosse kann es mühelos mit dem Stromgenerator aufnehmen. Nach einer kurzen, unruhigen Nacht schäle ich mich um fünf aus dem Bett. Draußen ist es bitterkalt, das Thermometer an der Eingangstür des Refugio schafft es gerade so über den Gefrierpunkt. Und es ist noch stockfinster, vor zwei Tagen war Neumond, außerdem geht die Sonne wegen der Zeitverschiebung und der südlichen Lage der Kanaren um diese Jahreszeit ohnehin erst gegen acht Uhr Ortszeit auf.

Aber genau deshalb sind wir alle hier und um diese Zeit schon auf den Beinen: Wir wollen den Sonnenaufgang auf dem höchsten Berg Spaniens erleben.

Vom Refugio bis zum Gipfel des Teide sind es noch zwei Kilometer, auf halbem Weg liegt die Bergstation der Seilbahn. Die erste Gondel kommt erst um neun Uhr an, bis dahin haben wir den Berg für uns alleine. Im Schein von Taschenlampen macht sich die Karawane auf den Weg, eine tänzelnde Lichterkette in der stockdunklen Nacht, über uns der beeindruckende Sternenhimmel. Als Stadtbewohner hat man schon fast vergessen, dass es ihn noch gibt.

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